Religion und Kirche

der Wolhyniendeutschen

Eine tiefe Religiosität gehörte zu den bestimmenden Merkmalen des geistlichen Lebens der Wolhyniendeutschen. Die Religion und die Kirche hatten einen starken Einfluss auf die Weltanschauung und die Moralbildung der Menschen sowie auf das alltägliche Leben, ihr Verhalten und ihre Einstellung zum Fleiß.

Die lutherische Konfession in Wolhynien

Die Mehrheit der Wolhyniendeutschen waren Lutheraner und lebten nach den Bekenntnissen des lutherischen Glaubens. Alle anderen protestantischen Glaubensrichtungen sowie der römisch-katholische Glaube stellten eine unbedeutende Minderheit dar.

Das Fundament der Glaubenslehre bei den Wolhyniendeutschen war die Bibel. Zu den wichtigsten religiösen Feiertagen zählten Weihnachten, Heilige Drei Könige, Ostern, Pfingsten, der Buß- und Bettag, das Erntedankfest sowie der Reformationstag.

Während der gesamten Phase der Kolonisierung wuchs in Wolhynien die Zahl der lutherischen Kirchspiele. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs existierten auf dem Gebiet Wolhyniens neun lutherische Kirchspiele, die zum Konsistorium von Sankt Petersburg gehörten.

Die Pfarrer waren die Schlüsselfiguren und die Organisatoren des kirchlich-religiösen Lebens der Kirchspiele. Sie besuchten die Kolonien mehrmals im Jahr, um unterschiedliche religiöse Riten sowie Trauungen und Konfirmationen durchzuführen. Das Ritual der Konfirmation war für die Jugend besonders feierlicher Anlass, da sie danach zu vollwertigen Mitgliedern der lutherischen Gemeinde wurden. Der religiöse Alltag der Kolonistengemeinde wurde von den Küstern organisiert. In der Kolonie Heimtal (Staraja Buda) existierte von 1904 bis 1912 eine Schule, in der Küster ausgebildet wurden.

Bau und Besonderheiten der lutherischen Kirchen

Der Bau der Kirche und des Gebetshauses gehörte zu den wichtigsten Aufgabe jeder Kolonistengemeinde. Manchmal wurde diese Aufgabe von mehreren Nachbarkolonien gemeinsam übernommen. Regionale und zentrale Verwaltungen versuchten nicht selten die Lutheraner am Bau ihrer Kultstätten zu hindern, doch die Kolonisten waren bei ihren Vorhaben sehr hartnäckig. Im Jahr 1900 besaßen die Lutheraner bereits sechs Kirchen und 231 Gebetshäuser.

Die lutherischen Gotteshäuser zeichneten sich durch eine schlichte und strenge, gothische Bauweise sowie durch gute Bauqualität aus. Die Einweihung einer neuen Kirche stellte ein besonderes Ereignis im Leben einer lutherischen Gemeinde dar. Oft verwalteten die lutherischen Kirchen eine Unterstützungskasse, um den Gemeindemitgliedern in schwierigen Lebenssituationen zu helfen.

Missionsarbeit der wolhynischen Lutheraner

Die Wolhyniendeutschen hielten an ihrem Glauben fest. Übertritte zu einer anderen Konfession waren eher selten. Doch ihr fester Glaube war gleichzeitig ein guter Nährboden für die aktive Missionsarbeit anderer protestantischer Glaubensrichtungen.

Baptistische Prediger waren besonders erfolgreich. Beweis dafür war ein deutlicher Anstieg von baptistischen Gemeinden sowie die Festigung ihrer Autorität in der zweiten Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1909 fand in der Kolonie Neudorf, im Gebiet Schitomir, ein Kongress der baptistischen Prediger Russlands statt.

Die Jahre des Zweiten Weltkriegs markierten das Ende der evangelisch-lutherische Kirche in Wolhynien. Die meisten lutherischen Kultstätten wurden zerstört. Die wenigen lutherischen Kirchen, die erhalten sind, stellen einzigartige Architekturobjekte dar und zählen zu den Besonderheiten der heutigen Städte und Dörfer Wolhyniens.

Religiosität war ein wichtiges Merkmal im Leben der Wolhyniendeutschen