Literarisches Schaffen

der Wolhyniendeutschen

G. Wolter „Die Zone der totalen Ruhe“, Moskau, 1991. Archiv v. Lisa Gottlieb-Deiss

Ein kurzer Überblick

Die Wolhyniendeutschen hatten viele kreative Persönlichkeiten. Eine weitverbreitete literarische Form war die Folklore. In ihrer Gesamtheit vereinte sie die Schicht, mit der die Siedler nach Wolhynien kamen, und wurde durch zahlreiche Neuschöpfungen ergänzt, die nach der Umsiedlung entstanden sind. Die Folklore der Wolhyniendeutschen ist bislang nur rudimentär erforscht, aber sie spiegelt die Geschichte ihres Lebens und ihrer Tätigkeit wider. Daher erfordert sie eine gesonderte und gründliche Untersuchung.

Die Folklore wurde zur Grundlage für die Entstehung der wolhyniendeutschen Literatur. Die gängigsten Gattungen waren Gedichte, Kurzgeschichten und kurze Novellen. In der Zwischenkriegszeit wurden viele Stücke in den deutschsprachigen Zeitschriften Westwolhyniens Wolhynischer Bote und Wolhynischer Volkskalender publiziert. Eines der Hauptthemen in den Werken wolynischer Schriftsteller verschiedener Zeiten war die Liebe zu ihrer Heimat und dem Land ihrer Vorfahren. Das literarische Erbe der Wolhyniendeutschen zeugt von ihrem ausgeprägten schöpferischen Potenzial und erfordert nicht nur eine eigene literarische Analyse, sondern auch eine breite Popularisierung unter den Lesern sowie Übersetzungen ins Ukrainische.

Gegenktafel für Ernst Kontschak in Nowohrad-Wolynskyj. Oblast Schytomyr. Archiv von Dr. Mychailo Kostjuk

Die prominentesten Vertreter der wolhyniendeutschen Literaturgemeinschaft sind:

Reinhold Henke, Herbert Henke, Ernst Kontschak, Friedrich Rink, Gustav Tytschkowski, Alexander Zielke, Erna Wolz, Edmund Mater, Elfriede Reusch, Oskar Schulz, Gerhard Wolter, Reinhold Schulz.

Erna Wolz, geb. Blümke

* 28. November 1929, Kolonie Kiseliwka, Bezirk Wolodymyr-Wolhynskyj, Wolhynien, Ukraine – † Juni 2013, Köln, Deutschland.

E. Wolz wurde in einer Familie deutscher Kolonisten aus Wolhynien geboren. Schon in jungen Jahren begann sie, Gedichte zu schreiben. Sie war Autorin mehrerer Gedichtbände und Artikel über die Ethnographie der Wolhyniendeutschen. Sie veröffentlichte einen zweiteiligen Lyrikband „Klopf ruhig an“ (Band I, 1986; Band II, 2004). Ihr Werk ist durch eine Vielzahl von Themen gekennzeichnet.

Wolhynien, wir lassen dich grüßen,
du warst unsere Heimat auf Zeit.
Es waren für dich unsere Ahnen
zum Schaffen und Sterben bereit. 

Auszug eines Gedichts „Wolhynien“

Gustav Tytschkowski

* 25. April 1910, Kolonie Pustomyty, Kreis Luzk, Wolhynien, Ukraine – † 6. März 1987, Bremen, Deutschland.

G. Tytschkowski wurde in einer Kantorenfamilie geboren. In den 1930er Jahren waren seine Gedichte und Erzählungen bei den Lesern der westwolhynischen deutschen Wochenzeitung Wolhynischer Bote und des Wolhynischen Volkskalenders beliebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden seine Gedichte und Memoiren in den Wolhynischen Heften und Alfred Cammanns Heimat Wolhynien veröffentlicht. Einige seiner Gedichte wurden von Ewald Weiss vertont.

Wolhynien ist mein Heimatland,
Lieb es auch immerdar,
Ist es auch nicht mein Vaterland,
Doch Heimat ist’s fürwahr!

Auszug eines Gedichts „Mein Heimatland“

Herbert Henke

* 1. (14.) November 1913, Kolonie Anetta, Kreis Nowohrad-Wolynskyj, Wolhynien, Ukraine – † 4. März 1999, Almaty, Kasachstan

H. Henke wurde in einer Müllerfamilie geboren. Schon als Student begann er, seine Gedichte, Kurzgeschichten und Aufsätze zu veröffentlichen. In den späten 1930er Jahren wurden seine ersten beiden Gedichtbände veröffentlicht. Er wurde Mitglied des Schriftstellerverbandes der UdSSR. Im Jahr 1941 wurde er nach Sibirien verbannt und verbrachte einige Zeit in der Trudarmee. Nach dem Krieg unterrichtete er Deutsch an Schulen in den Regionen Krasnojarsk und Kemerowo. Ab 1968 lebte er in Almaty. Er arbeitete beim deutschen Rundfunk, schrieb in deutscher und russischer Sprache, veröffentlichte regelmäßig in deutschsprachigen Verlagen der UdSSR und der DDR, war Autor von sieben Gedichtbänden und betätigte sich als Übersetzer. Im Jahr 2013 wurde anlässlich des 100. Geburtstages des Dichters eine Gedenktafel an der Wand einer ehemaligen deutschen Schule in Nowohrad-Wolynskyj angebracht.

Gegenktafel für Herbert Henke in Nowohrad-Wolynskyj. Oblast Schytomyr. Archiv von Dr. Mychailo Kostjuk

Mein Heimatdorf Annette schwebt mir vor
mit Strohdächern, gekröpften Weidenbäumen,
mein Elternhaus mit Scheune, Hof und Tor
und Bienenstöcken in den Gartenräumen.

Auszug eines Gedichts „Annette“

Reinhold Schulz

* 1. November 1949, Krasnosatonskij Siedlung, Komi ASSR, UdSSR.

R. Schulz ist ein zeitgenössischer russischer und deutscher Schriftsteller und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens sowie Vertreter der Deutschen aus der UdSSR. Sein literarisches Pseudonym ist „Papa Schulz“. Geboren in einer Familie deutscher Schytomyrer Verbannungskolonisten. Er ist Schriftsteller, Publizist, Humorist, Autor zahlreicher Medienpublikationen und „Samisdat“-Broschüren. Reinhold Schulz verfasste Gedichte und Prosa in verschiedenen Genres. Er hat zahlreiche Publikationen in Russland sowie in russisch- und deutschsprachigen Publikationen in Deutschland veröffentlicht. Seine Werke wurden in vielen Ländern übersetzt und veröffentlicht. Zudem ist er Gewinner zahlreicher Literaturwettbewerbe und Literaturpreise und -auszeichnungen.

„Gelebt haben wir sehr gut. So reich, wie unsere Kolonisten in Wolhynien, lebte man in der Zeit nirgendwo auf der Welt. In keinem Eckchen der Erdkugel, bei keinem Volk auf Erden gab es sogar ungefähr so einen Wohlstand, wie bei unseren Deutschen. Weder in der Ukraine, noch an der Wolga, noch in Russland, noch in Deutschland, sogar noch in Amerika. Durch deutsche Kolonien fahrend, dachten die Leute, dass sie ins Ausland oder gar in den Garten Eden geraten sind. Wildes Land verwandelte sich durch unsere Arbeit in ein Paradies. Im Frühling war alles voll Blumen. Vom Geruch, von der Schönheit und vom Glück wurde es im Kopf schwindlig. Die Nachtigallen sangen von Liebe betrunken und gaben keine Nachtruhe. Die Jugend versammelte sich abends und spazierte auf den Straßen mit Liedergesang.“

Auszug aus der Geschichte „Wandern- der Feldstrauch“ | in Redaktion von Oleksandr Mishchuk

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