Migrationsprozesse

und Entstehung der Diaspora

Die Wolhyniendeutschen waren durch aktive Migrationsprozesse gekennzeichnet. Die Gründe dafür waren unterschiedlich und hingen von der jeweiligen historischen Periode und der Innenpolitik der Staaten ab, deren Teil Wolhynien war. Vor dem Ersten Weltkrieg war die häufigste Form der Migration unter den Wolhynien- deutschen die Binnenmigration innerhalb des Reiches, obwohl auch die Auswanderung begann. Die Hauptgründe für diese Migrationen waren wirtschaftliche Umstände. Die Entscheidung war weitgehend freiwillig. In den Jahren 1915 bis 1916 wurden die Wolhyniendeutschen erstmals massenhaft zwangsumgesiedelt.

In der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkriegs kamen zu den wirtschaftlichen auch politische sowie weitere Gründe für die Migration hinzu. Das Ergebnis dieser häufig unfreiwilligen Migration war die Bildung einer Diaspora von Wolhyniendeutschen in verschiedenen Teilen der Welt.

Wolhyniendeutsche in Russland und Kasachstan

Die antikoloniale Gesetzgebung in der zweiten Hälfte der 1880er- und der ersten Hälfte der 1890er-Jahre, die Zunahme der Zahl der Kolonistenfamilien und die Zersplitterung des Landbesitzes zwangen die Wolhyniendeutschen zur Abwanderung. Am Ende des 19. und vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Richtung des Umzugs nach Osten – Sibirien und Kasachstan – höchste Priorität. Sibirien war wegen der Aussicht auf große Landflächen besonders attraktiv. Die größte Umsiedlung fand während der Agrarreform von Stolypin (1900–1914) statt. Einige Wolhyniendeutsche gelangten während der Deportationen 1915 bis 1916 nach Sibirien und Kasachstan.

In der Zwischenkriegszeit wurde die Diaspora der Wolhyniendeutschen in diesen Regionen durch die Familien der Kulaken vergrößert, die vor der Kollektivierung aus Ostwolhynien flohen oder deportiert wurden. In den Jahren 1945 bis 1946 kamen auch einige repatriierte Wolhyniendeutsche hierher. Im Osten versuchten die Kolonisten, sich kompakt anzusiedeln, behielten oft die Namen ihrer ehemaligen Kolonien und definierten sich weiterhin als Wolhyniendeutsche. An der Wende des 20. zum 21. Jahrhundert wanderten die meisten von ihnen nach Deutschland aus.

Diaspora der Wolhynien-Deutschen über den Ozean

Bereits in den späten 1880er-Jahren kam es zu Unruhen unter den Kolonisten, die einige von ihnen dazu veranlassten, ins Ausland zu gehen. Die Hauptziele der Auswanderung waren Brasilien, Kanada und die USA. Während in den 1890er-Jahren die Priorität auf Brasilien lag, strebten die meisten Auswanderer zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Kanada, wo sie günstige Grundstücke (Homesteads) von bis zu 160 Acres (65 Hektar) kaufen konnten. In der Zwischenkriegszeit blieb die Auswanderung nach Übersee eine Priorität für die Wolhyniendeutschen, sowohl aus West- als auch aus Ostwolhynien.

Es gibt nur sehr wenige Informationen über das Leben der deutschen Siedler in Brasilien. In Kanada und den USA hielten sie Kontakt zueinander und bewahrten die Erinnerung an ihre kleine Heimat. Die Zeitschrift Wandering Volhynians wurde zwischen 1987 und 1999 in Kanada publiziert. An der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert wurden zwei Gesellschaften gegründet: 1998 die Society for German Genealogy Eastern Europe (SGGEE) und 2002 die Historical Society of Germans from Poland and Volhynia (HSGPV). Beide Gesellschaften verfügen über umfangreiche elektronische Ressourcen zur Genealogie und zur Geschichte der Wolhyniendeutschen. Die SGGEE veranstaltet jährlich Kongresse und organisiert Reisen nach Wolhynien. Viele interessante Artikel werden im SGGEE-Journal veröffentlicht.